Was schmerzt – Ein Dschungel wächst wieder zu
Zwischenbilanz zum Internationalen Frauentag 2024
Der Vorteil der Sandwich-Position ist, dass das Vor- und das Nachliegende in einem Gesamtzusammenhang betrachtet werden kann. Das hilft beim Brücken-bauen genauso wie es Hinweise zu Kurskorrekturen bietet.
Blitzlicht 1
Als ich geboren wurde, war das idealisierte Frauenbild eigentlich eines dem vorvorigen Jahrhundert entsprechendes: Reduktion auf Kinder, Küche, Kirche. Folgerichtig konnten Frauen in Österreich von ihrem Ehemann rechtsgültig aus dem Dienstverhältnis gekündigt werden. Ergebnis: Viele Dienstverhältnisse – vor allem im ländlichen Raum, wo man einander gut kannte – kamen gar nicht zustande. Weil die männlichen Entscheider keine unnötigen Diskussionen mit den Ehemännern haben wollten. Und die Frauen dachten, es läge an ihnen, warum sie die bezahlte Arbeit nicht bekamen.
Blitzlicht 2
Als ich ein Teenager war, war schon das Schreckgespenst der barbusigen wilden rebellierenden Hippie-Frauen als abschreckendes Beispiel für Mädchen definiert; „Emanze!“ ein oft gehörtes Schimpfwort. Junge Frauen waren spätestens nach der Hochzeit und dem ersten Kind Hausfrau und Mutter.
Blitzlicht 3
Als ich in meinen Zwanzigern Wirtschaft studierte, war es selbstverständlich, dass wir Frauen studierten. Ebenso selbstverständlich war es, dass dies in erster Linie unseren Kindern zugutekommen würde:
„Eine gescheite Frau ist die bessere Mutter,“ erklärte mir ein freundlicher Professor.
Alle Professuren und die allermeisten Assistenzpositionen waren männlich besetzt. Und niemand fand das diskussionswürdig. Jedenfalls nicht an einer Wirtschaftsuniversität in Österreich.
Blitzlicht 4
Als ich in meinen Dreißigern ins Top-Management einstieg, waren Frauen dort noch in der Minderheit. Frau war glücklich, wenn sie ein förderliches Biotop für ihre Berufstätigkeit gefunden hatte. Überqualifizierung und Unterbezahlung waren selbstverständlich. Überarbeitung und „Probleme“ bei Beförderungen auch. Mutterschaft und Familienleben waren jedenfalls besser nicht zu erwähnen. Zielkonflikte – Vorstandssitzung und krankes Kind – vermied Mann durch Ehefrau, Frau durch Personal, Mutter, Nachbarin, … mehrfache Absicherung war empfehlenswert. Sicher nie hat Frau Herausforderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Thema gemacht. Mann auch nicht – aber aus anderen Gründen: Er war damit ja nie belastet, er hatte dafür die Ehefrau.
Blitzlicht 5
Als ich in den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts eine Studie zu „Familie und Beruf aus Männersicht“ machte, erklärte mir ein verheirateter Vater, ungefähr 40 Jahre alt, aus dem mittleren Management:
„Unser Problem sind nicht unsere Frauen, unser Problem sind unsere Chefs: Die haben alle Ehefrauen, die gar nicht oder nur halbtags arbeiten und sich um Kinder, Haus und Hof kümmern. Für unsere Chefs sind wir Weicheier, weil wir auch unsere Kinder vom Kindergarten abholen wollen bzw. weil unsere Frauen das von uns verlangen, weil sie auch berufstätig sind und Karriere machen wollen. Befördert werden von diesen „alten“ Männern nur Männer, die die alte familiäre Arbeitsteilung leben.“
Ein anderer Mann, ebenfalls aus dem mittleren Management, meinte auf die Frage nach seinen Wünschen für die Zukunft:
„Mir geht es sehr gut, für mich kann alles bleiben wie es ist. Aber für meine Frau wünsche ich mir, dass sie als hervorragende Ärztin endlich die Anerkennung, das heißt die Beförderung und das Gehalt, bekommt, das für ihre männlichen Kollegen selbstverständlich ist.“
Zwischenbilanz
Seit der Jahrtausendwende hat sich wieder viel getan, ähnlich revolutionär wie die Familienrechtsreform in den 1970er Jahren: Studien, Kongresse und Antidiskriminierungsgesetze, die Frauen mehr Einblick in die Ungleichbehandlung im Beruf (und damit in der Sozialversicherung) geben. Und Möglichkeiten, das aufzuzeigen und dagegen vorzugehen z.B. unterstützt von der Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Möglich wurde das alles auch durch die vielen, vielen Frauen vor mir, die mühsam und ehrenamtlich Initiativen aufgebaut und die Vernetzung von Frauen gefördert haben. Unterstützt wurden sie von einigen wenigen hellsichtigen Politikern wie Bruno Kreisky und Erhard Busek. So wurden Strukturen geschaffen, die – für Jüngere wie mich – Wege des Empowerments für Frauen und Männer(!) geöffnet haben.
Viele Frauen, jünger als ich und jetzt in Top-Entscheiderpositionen, haben diese Wege selbstverständlich selbst beschritten. Ob dies auch nachfolgenden Frauen und Männern möglich sein wird, scheint zu viele von ihnen nicht zu kümmern.
Im Gegenteil: Sie zerstören vorhandene Strukturen oder lassen sie zerstören, z.B. durch „Schlecht-reden“ und Nicht-Freigabe von Fördermitteln. Und das, ohne eine andere fördernde Struktur aufzubauen. Dabei wähnen sie sich als die Befreierinnen überkommener Ansichten:
„Brauchen wir nicht mehr, Frauen sind schon gleichberechtigt … ich bin das beste Beispiel … es gibt genug Gesetze, die Frauen schützen … Frauen sind stark genug, wir wollen sie nicht bevormunden … wir widmen uns den wirklich wichtigen Themen wie …“
Und so verfallen mühsam gebaute Wege und Brücken, verwildern und werden unbenützbar.
Obwohl die Zahlen eine andere Sprache sprechen.
Das ist es, was am 8. März 2024 schmerzt.
It worked in ancient Greece; it might work in New York state.
Asked if she plans to use this tactic in the future, she says she does not intend to incite more “feminist terror”. The point is instead to teach the next generation of religious girls that if conventional methods of protest fail, they can find new ones.
https://www.economist.com/united-states/2024/03/14/ultra-orthodox-jewish-women-are-staging-a-sex-strike?
Eigentlich könnte man den Eindruck bekommen, die Gen Z bestehe fast nur aus Feministinnen und Feministen. Zumindest suggeriert das zunächst die aktuellste Ö3-Jugendstudie, an der knapp 40.000 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren teilgenommen haben. 97 Prozent der Befragten finden, dass Männer und Frauen die gleichen Chancen haben sollten.
Doch der Teufel steckt im Detail. So gab zum Beispiel nur etwas mehr als ein Drittel der jungen Männer an, dass Frauen in Österreich nach wie vor benachteiligt sind. Bei den Frauen waren es 78 Prozent.
Oder: Fast die Hälfte aller befragten Männer stimmte der Aussage zu, dass „Männer heute keine echten Männer mehr sein dürfen.“ Nur 13 Prozent der Frauen sahen das genauso.
Zum Weiterlesen https://www.pressreader.com/austria/der-standard/20240309/281981792552957