Muttertag 2021 – Zwischen Blumen und Bedrohung

Mütter wissen es schon lange: Anerkennung alleine reduziert nicht die Belastung. Genauso wenig wie das Erkennen einer Bedrohungslage automatisch zu einer Verbesserung der Lage für die Bedrohten führt. Den „Rücken stärken“ hilft nicht, wenn Lasten nicht gerechter verteilt werden, wenn nicht „mit angepackt“ wird, statt weiter „drauf zu packen“.

Blumen in der Vase

„Kannst du mir beim Wegräumen helfen?“ „Mama, ich muss jetzt …., aber die Blumen geb ich dir in die Vase. Es hat wunderbar geschmeckt! Bis morgen/in einer Woche/ in einem Jahr!“ (Begründung und Zeitraum je nach Alter des Kindes einsetzen.)

Wir feiern wieder Muttertag, stellen Blumen in die Vase und lesen in den Schlagzeilen von Frauenmorden, begangen von gewalttätigen Partnern. Nicht nur in Afghanistan, auch in Österreich. Wieder läuft die „Reden wir darüber“-Maschinerie los: Wie hilft man den Tätern bei der Bewältigung ihrer Gewaltneigungen, wie reduziert man die Opferzahlen?

Gefragte Gesprächspartner sind vorzugsweise die LeiterInnen von Vereinen, deren meist weiblichen Helfer sich teilweise um den Preis der Selbstausbeutung schon lange um ein Durchbrechen von familiären Gewaltspiralen bemühen.

Langes Reden

Das Reden wird wieder nicht zu großen Veränderungen führen, weil es in Österreich noch immer keine Bereitschaft gibt, die Strukturen zu verändern. Die Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft ist nach wie vor eine unterbezahlte und untergeordnete, unabhängig davon, ob sie Mütter sind oder nicht. Gerade als solche verbessern sich ihre Lebensumstände auch nicht:  Beruflich haben Mütter weniger Einkommen und privat eine noch höhere Arbeitsbelastung. Egal welchen Beruf sie ausüben, egal welche hierarchische Stellung sie im Betrieb einnehmen.

Sicher haben es die privilegierten von uns geschafft, sich Freiräume zu schaffen, indem sie die unbezahlte Arbeit ausgelagert haben – entweder an Putzfrauen oder an Reinigungskräfte, je nach sozialversicherungsrechtlicher Stellung. Aber verbessert das etwas an der Anerkennung der Leistungen von Frauen in unserer Gesellschaft? Schützt es vor Gewalt in der Familie? Fördert es die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen auch in patriarchalen Milieus?

Rollen-Vorgaben

Bedauerlicher Weise beschränkt eine Gesellschaft, die Frauen nicht dieselben Entfaltungsmöglichkeiten wie Männern zugesteht, ihren Wohlstand und ihre Entfaltungsmöglichkeiten – als Gesamtgesellschaft und sowohl für Frauen als auch für Männer als Individuen. Wenn heute ein Bub den Wunsch äußert, einen Sozialberuf zu ergreifen, z.B. Kindergartenpädagoge, dann erklärt ihm der Vater, dass so ein niedriges Einkommen für ein gutes Leben nicht reichen wird. Schade, dass auch Bubenträume und Männerleben Gender-Restriktionen unterliegen.

Aber auch wenn Arbeit öffentlich tosenden Applaus erhält, bedeutet das nicht automatisch mehr Geld in den Taschen der LeistungsträgerInnen oder bessere Arbeitsbedingungen.

Gegenleistung

Dazu gibt es neben Müttern viele Beispiele: Pflegepersonal für Senioren (egal ob aus dem Ausland oder die inländische Verwandtschaft), Kinderbetreuungskräfte in Kindergärten und Schulen, Angestellte im Lebensmitteleinzelhandel – sie alle gelten als systemrelevant, niemand möchte sie missen, wenn er sie braucht. Jeder weiß, dass unsere Gesellschaft ohne sie nicht funktioniert, aber ihre Arbeits- und Lebensbedingungen an jene angleichen, auf deren Tätigkeiten wir in Krisen nicht so dringend angewiesen sind? Das scheint nicht notwendig zu sein.

Ob es damit zusammenhängt, dass die meisten aus diesen Gruppen weiblich sind? Und viele von ihnen Mütter? Die meisten darin geübt, strukturelle Mängel mit Eigeninitiative und mit individuellem Kraftaufwand auszugleichen? Gewohnt, nicht lange zu diskutieren, sondern es einfach zu tun, weil es ja sonst keiner macht? Und die Erfahrung überwiegt, dass lange Reden das Bewältigen nur noch komplizierter machen und man am Ende sowieso überbleibt?

Mehr Chancen

Solange wir nicht durch einen gezielten Ausbau von sozialer Infrastruktur (Gesundheitswesen, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Jung und Alt) mit fair entlohnten und menschlichen Arbeitsbedingungen Frauen von gesellschaftlichen und familiären Zwängen konkret entlasten, Mädchen dieselben Freiräume wie Buben zugestehen und sie vor Diskriminierung in allen öffentlichen Räumen konsequent schützen, wird es bei Blumen an einem Tag im Jahr und bei der Bedrohungslage während des ganzen Jahres für den weiblichen Teil unserer Gesellschaft bleiben.

Männer profitieren davon nur scheinbar – und schon lange nicht mehr in den Augen aller Männer.