Frauenmacht und Netzwerke
Denken Sie bitte an Ihre Familie im weitesten Sinn und überlegen Sie, welches Familienmitglied Ihnen bei den folgenden Fragen vor allem in den Sinn kommt:
Wer kennt in der Familie die wichtigsten familiären Feiertage, wer kauft verlässlich meistens die Geschenke dafür und wer hält mit möglichst vielen in der Verwandtschaft Kontakt?
Es wäre keine Überraschung, wenn vor Ihrem geistigen Auge ein weibliches Familienmitglied erschienen wäre: Frauen scheinen die geborenen Netzwerkerinnen zu sein. Nicht nur im Verwandtschaftskreis, auch in der Nachbarschaft sind meistens sie es, die die Kommunikation pflegen.
Machtlose Netzwerkerinnen
Aufgrund dieser sozialen Prägung müssten Frauen für das Berufsleben bestens vorbereitet sein: Denn Netzwerke und persönliche Kontakte sind die wesentlichen Hebel zum beruflichen Aufstieg – so die in Wissenschaft und Praxis unbestrittene Binsenweisheit für alle Menschen.
Netzwerk-Mitglieder haben Zugang zu hilfreichem Wissen und fördernden Kontakten, sie erhalten strategischen Rat und emotionale Unterstützung. Merkwürdiger Weise kommen Frauen viel seltener in den Genuss dieser Vorteile von Netzwerken als Männer.
Zwei Professorinnen an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Hessen, Karin Kreutzer und Marjo-Riitta Diehl, und die Unternehmensberaterin Elena Greguletz erforschten dieses Phänomen in einer qualitativen Studie. Die Ergebnisse können in intrinsischen und externen Barrieren, die Frauen vom erfolgreichen Networking abhalten, zusammengefasst werden.
Externe Barrieren
Obwohl wir mittlerweile das 21. Jahrhundert schreiben, scheitern Frauen noch immer an „Old Boys Clubs“, die oftmals jahrhundertelang gewachsenen homophilen Zusammenschlüsse von Männern – je nach Branche, Tätigkeitsfeld, Hobbies etc. Noch immer erfahren ihre männlichen Mitglieder eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung als die weiblichen Mitglieder von Frauennetzwerken: Misogynie ist immer noch ein Bestandteil unserer Gesellschaft und damit auch beim beruflichen Networking nach wie vor ein Hindernis.
Eine zweite externe Barriere liegt in der Art wie unsere Gesellschaft nach wie vor organisiert ist: Frauen tragen mehrheitlich noch immer die Hauptverantwortung für die Alltagsorganisation von Familien. Selbst wenn eine Frau selbst kinderlos geblieben ist, wird sie als Tochter oder Schwester mehr als der Sohn oder Bruder für Familienarbeit herangezogen. Selten, dass sich eine Frau diesem sozialen Druck entziehen kann, eher noch, dass sie sich in gewisser Weise durch den Zukauf von Dienstleistungen davon freikaufen kann. Trotzdem: die Verantwortung bleibt.
Damit erfahren Frauen durch die Doppelbelastung von Berufs- und Familienleben mehrheitlich eine strukturelle Ausgrenzung von Netzwerkaktivitäten, weil es sich zeitlich einfach nicht ausgeht.
Intrinsische Barrieren
Zusätzlich zu den oben genannten externen Hindernissen für Frauen, beruflichen Netzwerken beizutreten, identifizierten die Forscherinnen der Hessischen Uni zwei weitere, in den Frauen selbst angelegte Barrieren, soziale Beziehungen für sich selbst zu instrumentalisieren: Moralische Bedenken und Selbstunterschätzung.
Die Studienautorinnen sprechen von einer „beziehungsorientierten Moralität“ und meinen damit das Phänomen, dass Frauen dazu neigen, „eine einseitige Bevorteilung der eigenen Person durch eine Netzwerkbeziehung zu unterbinden“. Während Männer ihre Netzwerkaktivitäten eher zweckorientiert anlegen, achten Frauen sehr auf eine Balance zwischen ihrem geleisteten Beitrag zum Netzwerk und den Vorteilen, die sie daraus ziehen. Frauen erhalten sich mit dieser eher auf sozialen Ausgleich orientierten Vorgangsweise ihr „Gefühl für Authentizität“. Damit können sie allerdings die Vorteile von Netzwerken nicht so häufig für sich realisieren wie Männer.
Eine weitere intrinsische Barriere stellt für Frauen die eigene Minderbewertung des persönlichen Beitrags dar. Frauen unterschätzen häufig den Wert ihrer Leistung und sie glauben oft nicht, wie wichtig ihr Beitrag für andere ist. Damit trauen sie sich natürlich auch weniger, von anderen Gegenleistungen zu fordern.
Wie sehr die von Studien-Autorinnen erkannten intrinsischen Barrieren der Sozialisierung von Frauen in einer männerdominierten Gesellschaft geschuldet ist, ist eine spannende Frage, aber ein Diskurs, der an anderer Stelle zu führen ist.