Ohne Schirmherr keine Karriere
Männer-Karrieren basieren auf „Etwas Sein, etwas Schein und sehr viel Schwein“ wie mir ein CEO einmal augenzwinkernd erklärte. „Schwein“ kommt dabei nicht nur in Gestalt glücklicher Zufälle (der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort), sondern auch in Form von vielen, vielen Förderern – seien sie aus der Familie, aus dem Sportverein, aus einem Berufsnetzwerk oder aus dem Unternehmen selbst. Kein Mann hat nur aus eigener Kraft Karriere gemacht oder beruflichen Erfolg erreicht – immer gab es viele Helferleins, teilweise unsichtbar im Hintergrund, teilweise ganz offiziell.
Wenn Frauen bis in den Vorstand und Aufsichtsrat Karriere machen wollen, dann finden sie im zunehmenden Maße gesetzliche Vorgaben, die ihnen bei der Karriere helfen sollen: Auswahlverfahren mit Dreiervorschlag, Frauenquoten in bestimmten Bereichen und medialer und politischer Druck.
Leider ersetzt das alles nicht die vielen Helferleins, die es braucht, um nachhaltig Karriere zu machen. So kommt es, dass Heiner Thorborg in Deutschland konstatieren kann: „… ist von den weiblichen Besetzungen der vergangenen zwei Jahre für die Beletagen der deutschen Konzerne rund die Hälfte schiefgegangen. Der Einwand, dass auch Männer scheitern, ist zwar korrekt, doch eine Ausfallquote von 50 Prozent habe ich in 30 Jahren als Personalberater noch nie beobachtet.“
Was lernen wir daraus? „Ohne Schirmherr keine Karriere“ gilt für Männer ebenso wie für Frauen, allerdings finden sich für Frauen nach wie vor weniger „Schutzschirme“. Frauen erhalten nach wie vor seltener die Ressourcen, die es braucht, um einen Platz an der Spitze dauerhaft halten zu können. Wer nun meint, Frauen müssten einfach nur verstärkt darum kämpfen, der könnte genauso gut fordern, dass die Schwerkraft außer Kraft gesetzt würde, damit wir alle schweben könnten – gegen Strukturen hat ein Individuum unabhängig vom Geschlecht keine Chance.
Sheryl Sandberg hat Recht, wenn sie meint, für Frauen-Karrieren sind zu einem Drittel die Unternehmen, zu einem Drittel die Gesellschaft und zu einem Drittel die Frauen selbst verantwortlich.
Ich denke, dass wir davon ausgehen können, dass eine Marion Schick, Personalvorstand der Telekom, genauso ihren Beitrag geleistet hat wie eine Brigitte Ederer, Personalvorstand der SIEMENS. Beide hatten sich auch mit den Gegebenheiten in unserer traditionellen Gesellschaft arrangiert. Was fehlte, war/ist das Commitment der Unternehmensführung für einen durchgehenden Frauenanteil auf allen Ebenen.
Was müssen Vorstände und Aufsichtsräte beachten, die sich für Feigenblatt-Aktionen zu schade sind und ihr Investment in Frauen wirklich sinnvoll nützen wollen?
Erstens geht es nicht nur um einzelne Frauen auf Top-Ebene, sondern um alle Frauen im Unternehmen und um alle Unternehmensbereiche auf allen Ebenen. Frauen dürfen keine Exotinnen mehr sein, sie gehören selbstverständlich dazu: Auswahl- und Beförderungsprozesse und die Arbeitsplatzorganisation gehören regelmäßig daraufhin geprüft, ob Frauen langfristig ihr gesamtes Potenzial einbringen können.
Zweitens: Meinungsbildungsprozesse zur Genderfairness im Unternehmen gehören auf allen Ebenen regelmäßig evaluiert und weiterentwickelt – Vorstand und Aufsichtsrat sind dabei prominent einzubeziehen.
Drittens: Führungskräfte (männlich wie weibliche) müssen von untersten Ebenen an spürbar danach bewertet werden, wie gut sie Frauen in ihrem Bereich fordern und fördern. Nur so erhalten Frauen die Möglichkeit, langfristige Karrieren mit den dafür notwendigen Netzwerken aufzubauen.
Und was machen wir mit den heute 50+ Frauen, die top-ausgebildet sind, für die aber solche Förderprogramme teilweise zu spät kommen?
Diese brauchen Mentoren auf höchster Ebene, die verstehen, dass mit mehr Frauen im Top-Management ihr eigener Erfolg gestärkt wird.