Quoten entscheiden.
Viel ist vom Ausgleich die Rede, wenn es um die neuen Regierungsmitglieder in Österreich geht. Dabei geht es nicht nur um den Interessensausgleich zwischen Rot und Schwarz, sondern auch innerhalb der Parteien. Die ÖVP z.B. muss traditionell den Ausgleich zwischen den Bundesländern ebenso wie zwischen den verschiedenen Bünden schaffen. Und das wird auch genau beachtet! Aufgrund der Länderquote, so konstatiert Walter Hämmerle, Wiener Zeitung, dass Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle nicht Minister bleiben könne, falls der Tiroler Landesrat und Landeshauptmann-Stv. Josef Geisler Minister würde, denn „Zwei Tiroler sind dann doch einer zu viel im ÖVP-Team.“
Für den Ausgleich zwischen den Geschlechtern fühlen sich die ÖVP-Entscheider anscheinend nicht zuständig. Es wird zwar genau bedacht, was man den Kollegen in den Landesparteien zumuten kann. Aber es ist kein Problem, 51% der österreichischen Bevölkerung zuzumuten, dass niemand dafür gesorgt hat, dass auch in der ÖVP ein Frauen-Talente-Pool zur Wahl für eine Regierungsposition zur Verfügung steht und Frauen zumindest zu 40% in der Regierung vertreten sein werden.
Dass das so ist, hängt auch damit zusammen, dass immer wieder treuherzig betont wird, dass Quoten doch den Wettbewerb verhindern und dass bei Besetzungen doch nur die Leistung zähle.
Aber dort, wo Männer untereinander auswählen (müssen – wofür im Vorfeld gesorgt wurde), kennen sie das System der Quote sehr gut, respektieren es und setzen es ein – zum Ausgleich von von ihnen akzeptierten Interessen. Da stört es dann auch nicht weiter, wenn durch die Erfüllung von Quoten hoffnungsfrohe Karrieren massiv eingebremst werden. Aber wehe, wenn eine Männerkarriere durch die Bestellung einer gleichwertig qualifizierten Frau aufgrund einer Quote gebremst wird!
Der Ausgleich ist übrigens auch bei den Landeshauptleuten wichtiger als strukturelle Reformen.
Auch das erinnert frappant an vertane Möglichkeiten bei der Gleichstellung von Frauen in der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft: der Ausgleich traditioneller Interessen ist wichtiger als Veränderungen anzuerkennen und zukunftsorientierte Lösungen anzustreben.
Machen wir ein Gedankenexperiment: Überreichen wir österreichischen Regierungsmitgliedern zu ihrem Antritt Henry Fords berühmte Tin Lizzy als Dienstauto. Was für eine Zumutung mit diesem Oldtimer über die Straßen des 21. Jahrhunderts zu fahren – nicht nur ab und zu zur Volksbelustigung, sondern jeden Tag. Wie könnte man bei einer Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h den dichten Terminkalender eines Ministeriums erfüllen? Wie bei jeder Witterung rechtzeitig ankommen und auch im Auto arbeiten? Eine Zumutung und ein Ding der Unmöglichkeit!
Warum werden 2013/14 den ÖsterreicherInnen und der österreichischen Wirtschaft noch immer Denkweisen und Strukturen zugemutet, die aus dem 20. Jahrhundert stammen?